Call Feministische Studien 1/2027 Ökofeminismen

Call for Abstracts: Feministische Studien 01/2027, Herausgeberinnen: Doris Gödl, Tanja Obex, Birgit Riegraf, Madeleine Scherrer

Reaktionäre Kräfte gelten mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft als salonfähig. Sie attackieren immer schon und aktuell in unverhohlener Weise zentrale Errungenschaften des Feminismus, die das Resultat jahrzehntelanger beharrlicher Kämpfe sind (bspw. Beschneidung von Selbstbestimmungsrechten von Frauen*, Zurückdrängung von Frauen* in die Sphäre des Privaten, Verbote gendergerechter Sprache in öffentlichen Instituti­onen...). Darüber hinaus stellen sie wissenschaftliche Fakten etwa zur Klimakrise infrage, und sie torpedieren sowohl aktivistische Interventionen, die eine ökologisch-gerechtere Lebens­weise einfordern, als auch deren Akteur*innen. 

In diesen Praktiken verknüpfen sich patriarchale Herrschaftsformen, Antifeminismus und kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse. Petromaskulinität ist das Konzept, das Cara New Daggett (2023) geprägt hat, um die Verknüpfung von Frauen*feindlichkeit und Klimawandel­leugnung als Waffen „neuer autoritärer Bewegungen“ (ebd., S. 10) zu verstehen. Petromasku­linität bezeugt diese „wechselseitige Konstituierung, wobei neben Klimaangst auch gender anxiety zum Vorschein kommt, und frauenfeindliche Gewalt sich zuweilen als fossile Gewalt entlädt“ (S. 10f.; Hervorh. i.O.). 

Diese spezifische Verknüpfung von Misogynie und Wissenschaftsfeindlichkeit (die sich u.a. in der Leugnung des anthropogenen Klimawandels zeigt), scheint uns eine neue, bedeutsame Beobachtung zu sein, die im aktuellen Klimadiskurs bislang keine Rolle spielt(e). Vielmehr dominieren dort technologiebasierte Lösungsansätze, die mit einer naiven Hoffnung auf einfache „technological fixes“ (Alaimo 2012, S. 563) verbunden sind. Sie basieren auf wissen­schaftlich-technischen Machbarkeitsphantasien, wobei Fragen nach sozialer Gerechtigkeit, insbesondere nach der Geschlechtergerechtigkeit, ausgeklammert werden. 

Interessant ist, dass feministische Diskurse bereits in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrtausends Umweltfragen gestellt haben (bspw. die Antiatombewegungen in Deutschland, England, USA, die von Frauen* initiiert und getragen wurden). Mit dem Titel „Ökofeminismus“ haben Maria Mies und Vandana Shiva eine feministische Klassenanalyse und postkoloniale Kritik des gesellschaftlichen Mensch-Natur-Verhältnisses vorgelegt (vgl. Mies & Shiva 1995/2016). Die Reaktionen auf den Text mach(t)en deutlich, dass die Adressierung der Beziehung „Mensch-Natur“ im Feminismus schwierig und umkämpft ist. So kann den Autorin­nen vorgeworfen werden, dass sie einen essentialistischen Ansatz verfolgen, der eine Natura­lisierung von Körper und Geschlecht vornimmt und in einem binären Denken verhaftet bleibt. Eine solche Essentialisierung zeigt sich insbesondere dann, wenn Frauen* als umwelt­freundlich, naturnah und als ressourcenschonende Konsument*innen adressiert werden (z.B. Lettow/Nessel 2022). Dadurch wird außerdem einer individualisierten Handlungsstrategie das Wort geredet. 

Kritische, antiessentialistische Stimmen im Feminismus definieren das Mensch-Natur-Verhältnis neu, indem sie einen intersektionalen und queeren Ansatz realisieren (z.B. Gaard 2017; Sandilands 2001). Der material feminism (z.B. Barad 2007) sowie ein post- oder nonhuman feminism (z.B. Alaimo 2000; Haraway 2000; Grosz 2005) entfernen sich von binär angelegten Konstruktionen, indem sie zugleich die Heteronormativität und hierarchisierende, binäre Denkweisen „Kultur vs. Natur“, „Mensch vs. Natur“, „Vernunft vs. Natur“ etc. infrage stellen (z.B. Merchant 1994; Plumwood 1993). In diesen Ansätzen geht es zudem um eine Kritik an anthropologischen Fixierungen, die sich beispielsweise in der Verwendung der Bezeichnung „der Mensch“ zeigen. 

Dieser erste kurze Abriss verdeutlicht bereits, dass es den Ökofeminismus nicht gibt, sondern dass wir – wie viele andere Autor*innen auch – von Ökofeminismen sprechen müssten, um den unterschiedlichen Strömungen Rechnung zu tragen (z.B. Hansen & Gerner 2024; Tsomou 2022). Bei aller Vielstimmigkeit ist den Ökofeminismen eine Auseinandersetzung mit Macht-, Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen in unterschiedlichen Kontexten gemeinsam (z.B. Gago 2021; Peredo Beltrán 2018). So baut das kapitalistische System auf der Ausbeutung von Arbeit – insbesondere von derjenigen, die von Frauen* vermeintlich „gratis“ geleistet wird – und auf der Ausbeutung „natürlicher Ressourcen“ sowie der Ausklammerung lebensnotwen­diger Reproduktions-, Regenerations- und Sorgearbeit auf (z.B. Bauhardt 2019a+b; Bauhardt & Harcourt 2019; Federici 2020, 2021; Tronto 1993). Christine Bauhardt spricht in diesem Zusammenhang von Ausbeutung und Unterwerfung menschlicher und natürlicher Ressourcen bei gleichzeitiger „Aneignung lebendiger ReProduktivität“ (2019a, S. 468).

Publikationsdatum:

30. Oktober 2025

Frist:

15. Dezember 2025

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