Sachbereichs-/Regionalübung: Who cares? Anthropologische Perspektiven auf Pflege im Alter

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wird sich der Anteil der über 60-Jährigen an der Weltbevölkerung bis 2050 voraussichtlich verdoppeln. Damit verbunden wird auch der Bedarf an Pflege und Betreuung («care») im Alter immer grösser. Länder wie beispielsweise die Schweiz rufen den «Pflegenotstand» aus und rekrutieren in grossem Umfang Pflegekräfte aus dem Ausland. «Care» ist zu einer transnational zirkulierenden Ressource geworden; in den alltäglichen Pflegepraktiken manifestiert sich die Verflechtung der intimsten Aspekte des täglichen Lebens mit (globalen) politisch-ökonomischen Prozessen (Buch 2015). In der Schweiz leisten durch profitorientierte Agenturen vermittelte Pendelmigrantinnen aus ökonomisch schwächeren Ländern einen bedeutenden Anteil der Pflege und Betreuung zuhause. In diesem prekären Arbeitsmarkt werden globale Abhängigkeiten und Ungleichheiten entlang von Geschlecht, Klasse und Ethnizität (re)produziert (Schilliger 2015). Im institutionalisierten Kontext wird professionelle Care-Arbeit immer stärker nach rationalisierten Produktivitätskriterien ausgerichtet. Personalmangel, Zeit- und Spardruck gehören zum Alltag von Angestellten in Gesundheits- und Pflegeinstitutionen. Die Covid-Pandemie hat zwar die Bedeutung und den Wert von Pflegearbeit gesellschaftlich sichtbar gemacht, gleichzeitig aber auch zu deren weiteren Prekarisierung beigetragen.
In dieser Übung befassen wir uns am Beispiel der Pflege im Alter mit unterschiedlichen Formen von bezahlter und unbezahlter Care-Arbeit. Auf der Grundlage von theoretischen und ethnographischen Texten analysieren wir «care» als moralische und qualifizierte Praxis und als eine zirkulierende und potenziell knappe Ressource. Wir fragen nach dem Wert von Care-Arbeit und wie und vom wem dieser definiert wird. Was kann eine care-ökonomische Perspektive (feminist economics) zum Verständnis von Wirtschaft und gesellschaftlicher Reproduktion beitragen? Wer leistet Care-Arbeit und unter welchen Bedingungen? Wer hat Zugang zu angemessener Pflege und Betreuung? Welche (Macht-)Beziehungen liegen Pflege-Arrangements zugrunde und entstehen daraus? Wie verändert die zunehmende Digitalisierung im Gesundheitswesen Pflegepraxis und Pflegebeziehungen? Diese und viele weitere Fragen analysieren und diskutieren wir in diesem Kurs.

Semestres:

Niveau:

MA

Disciplines:

ECTS:

5

Branches:

Etudes Genre, Anthropologie sociale

Type de haute école:

Universités