Wie zugeknöpft waren die sozialistischen 70er?

Wie zugeknöpft waren die sozialistischen 70er? Körper, Liebe und Lust zwischen Kritik und Konservatismus im osteuropäischen Film

Während die 1970er im Westen v. a. mit Ideen einer körperlichen und sexuellen Befreiung sowie mit einem Umdenken der Geschlechterrollen assoziiert werden, gilt die Dekade in Osteuropa als Ära des neuen Konservatismus, die von Repressionen und einer restriktiven Zensurpolitik geprägt war. Ausgehend von Konzepten wie (visuelle) Lust und Lustlosigkeit, soziales Geschlecht und Hierarchien, Liebe und Liebesbeziehungen sowie Körperlichkeit soll die Epoche kritisch betrachtet und diversifiziert werden.
Nach der meist gewaltsamen Niederschlagung verschiedener Liberalisierungstendenzen und somit der Verdrängung erfolgreicher filmischer Erneuerungsbewegungen (u. a. der jugoslawischen Schwarzen Welle, Tschechoslowakischen Neuen Welle und des sowjetischen Tauwetterfilms) bestimmten – zumindest an der Oberfläche – ab etwa 1970 eine ideologische Verhärtung, Restauration und Bürokratisierung die Gesellschaft. Doch trotz der Zensur, der das Kino mehr als etwa die Literatur unterlag, entwickelte sich eine neue Vielfalt an Filmen diverser Genres und Genremischungen, die mit unterschiedlichen Ansätzen die Kluft zwischen gesellschaftlicher Rolle und Individualität, zwischen Öffentlichkeit und Intimität reflektierten.
Die filmischen Formen von Liebe, Lust und Körperlichkeit können bestehende Vorstellungen des sozialistischen Menschen herausfordern sowie die in der Gesellschaft als soziale Harmonie verklärten Beziehungen – in den Bereichen Liebe, Arbeit und Familie – infrage stellen. Nicht selten scheitern aber die Filmfiguren gerade mit diesen drei Konzepten: Sei es, dass ihr Ausbruch aufgrund der bestehenden (Geschlechter-)Hierarchien und Vorstellungen misslingt, die Figuren die eigene Lebens- und Liebesunfähigkeit nicht überwinden können oder sich in Zynismus oder Konformismus flüchten.
Ausgehend von diesem Spannungsverhältnis von Kritik und Konservatismus werden wir ausgewählte Filme aus verschiedenen Regionen Osteuropas untersuchen sowie punktuell auch mit kinematographischen Tendenzen aus Westeuropa und Amerika vergleichen.
Neben der Analyse von Figuren, narratologischen Strukturen und ästhetischen Mitteln wird ein besonderes Augenmerk auf die filmische Gestaltung von Körperlichkeit und die Inszenierung von Sprache gelegt.

 

Seminar    

Donnerstag, 16.15-17.45
Nadelberg 8, Seminarraum 13
wöchentlich

Tatjana Simeunovic (tatjana.simeunovic@unibas.ch, BeurteilerIn)
Clea Wanner (clea.wanner@unibas.ch)

Semesters:

Level:

MA, BA

Disciplines:

Institutions:

ETCS:

3

Subjects:

History of Art, Cultural Studies, Gender Studies, History

University Type:

Universities