Beschreibungen der Wahlpflichtkurse im Modul BA112 «Soziale Arbeit als Wissenschaft und Profession II» (Frühlingssemester 2023)
Modulleitung: Raphael Calzaferri und Tobias Studer
Wahlpflichtkurs «Soziale Arbeit und Geschlechtertheorien»
Prof. Dr. Maritza Le Breton und Dr. Christoph Imhof
In diesem Kurs wird der Frage nachgegangen, was es bedeutet, im Kontext Sozialer Arbeit eine Genderperspektive einzunehmen: Warum wird angenommen, dass die Menschheit in zwei Geschlechter resp. Mann und Frau getrennt ist? Ist diese Trennung durch «Gott» oder «die Natur» so ausgestaltet? Ist diese Trennung sinnvoll? Wie ist das Verhältnis von «Sex» als biologische Determinierung und «Gender» als soziale Kategorie? Ist Geschlecht – nach wie vor – ein struktureller Herrschaftsmechanismus? Wie ist es zu erklären, dass die Perspektive auf die Kategorie Geschlecht als gesellschaftlich relevantes transversales Thema gilt und nach wie vor ein grosser Handlungs- und Diskussionsbedarf besteht? Wie gestaltet sich Soziale Arbeit, wenn Geschlechter- und Queertheorien fester Bestandteil der (eigenen) Professions- und Forschungspraxis werden?
Geschlechtertheorien bilden ein heterogenes und multiperspektivisches Feld, welches sich aus herrschaftskritischer Perspektive mit der Konstitution und Konstruktion von Geschlechterverhältnissen befasst. In den 1970er und 1980er Jahren fokussierten feministische Wissenschaftlerinnen in den Sozialwissenschaften – und folglich auch in der Sozialen Arbeit – deshalb insbesondere die Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse, Strukturen und Denkmuster, die die Geschlechterungleichheit und die Deprivilegierung von Frauen verursachen. In den 1990er Jahren gewann die Perspektive auf Vergeschlechtlichungsprozesse in jeweils unterschiedlichen Kontexten und in Verschränkung mit anderen Ungleichheitsachsen und Konstrukten wie Klasse, «Rasse», Ethnizität, Behinderung, Alter, sexuelle Orientierung oder geopolitische Positionierung und entsprechenden Ausgrenzungsprozessen an Bedeutung. Dieser Blickwechsel verdeutlicht, dass Feministische- und Geschlechtertheorien – im Sinne einer erweiterten Denkungsart (Arendt 1958) – eine Erweiterung der Erkenntnisperspektive auf andere Macht- und Herrschaftsverhältnisse erkennen lassen, um gesellschaftliche Verhältnisse und Diskurse in ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit nachvollziehen zu können.
Ziel dieses Kurses ist es, Einblicke in die Vielfalt geschlechtertheoretischer Debatten im Verhältnis zu Fragen der Profession und Disziplin der Sozialen Arbeit zu bieten und gleichzeitig die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dabei nicht ausser Acht zu lassen. Im Fokus dabei steht die Frage, inwiefern Feministische- und Geschlechtertheorien in die Soziale Arbeit eingegangen sind. Weiter wird gefragt, wie die gesellschaftlichen Praktiken der Geschlechterdifferenzierung und -normierungen sowie postmoderne, dekonstruktivistische und queertheoretische Analysen von Machtverhältnissen sich als emanzipativ verstehende Praxen in der Sozialen Arbeit entwickelt haben.
Semester:
Stufe:
BA
Themen:
Disziplinen:
Institutionen:
Fächer:
Soziale Arbeit, Gender Studies
Hochschultyp:
Fachhochschulen (FH)