Cyborgs, Techno-Ableismus und Crip Futurity

In ihrem „Manifest für Cyborgs“ entwickelte Donna Haraway d* Cyborg als performative Figur, nicht nur für die Welt, wie sie sich Ende des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive ›westlicher‹ Gesellschaften darstellt, sondern auch als performative Figur für feministische Politiken und Praktiken. D* Cyborg lässt, so der Anspruch, Zweigeschlechtlichkeit, Heteronormativität und Othering-Prozesse hinter sich. Gerade die Problematisierung von Dualismen als Grundlage von Herrschaftslogiken motivierte Haraway eine Figur zu entwickeln, die kategoriale Grenzen zwischen Mensch, Tier und Maschine aufhebt und weniger über Abgrenzungen als vielmehr über Verbindungen nachdenkt. Wenn es um die Verbindung von (menschlichen) Körpern und Maschinen geht, lässt sich jedoch feststellen, dass die Maschinen / Technologie stets als Verbesserung eines imperfekten Körpers gedacht werden. So ist die Science Fiction voll von Figuren, in denen ‚defekte‘ Körper durch Maschinenteile ersetzt werden und so übermenschliche Fähigkeiten entwickeln. Und auch Haraway wählt im Cyborg-Manifest ein Beispiel, in dem es darum geht, einen vermeintlich defizitären Körper durch eine Maschine zu ersetzen, lediglich das ‚brillante‘ menschliche Hirn zu erhalten.
In der LV werden wir uns intensiv mit dem für die Gender Studies so zentralen Cyborg-Manifest von Donna Haraway auseinandersetzen und dieses der Kritik durch die feministischen Disability Studies, allen voran durch Alison Kafer, aussetzen. Von Interesse ist hier, wie sich d* Cyborg einsetzen lässt, um nicht-normative Körper zu denken? Aber auch prothetisch ‚verbesserte‘ Körper im Spitzensport werden Gegenstand der Diskussion sein. Mit Ashley Shews Against Technoableism beschäftigen wir uns mit der Frage, wer bzw. was tatsächlich ‚verbessert‘ werden sollte und wir werden uns mit den Anforderungen an eine Crip Technoscience beschäftigen. Und schließlich werden wir mit einem Blick in die Science Fiction danach fragen, welche Welten geeignet wären, verschiedensten Körpern gemeinsam ein ihnen angemessenes Leben zu ermöglichen? Letztlich: Wie kann Technologie ›uns‹ dabei unterstützen, tatsächlich inklusive Gemeinschaften aufzubauen – für alle Körper und für alle mentalen und neuronalen Verfasstheiten?

Lernziele

Die Teilnehmer*innen haben profunde Kenntnisse über eine grundlegende gesellschaftliche Fragestellung, die nicht zuletzt Menschenrechte betrifft, gewonnen. Sie sind mit einer zentralen Auseinandersetzung der feministischen Technowissenschaftskritik sowie der Feminist Cultural Studies of Technology vertraut und haben Kenntnisse in den Feminist Disability Studies gewonnen. Darüber hinaus können die Teilnehmer*innen Bilder und Vorstellungen normativer Körper hinterfragen und einen kritischen Blick auf technologische Entwicklungen und Fragestellungen werfen.

Literatur

Allan, Kathryn and Djibril al-Ayad (Hrsg*innen) (2015): Accessing the Future. A Disability-Themed Anthology of Speculative Fiction. Futurefire.net Publishing

Fink, Dagmar (2021): „Haraways Einsatz: Implodierende Dualismen.“ In: dies.: Cyborg werden. Möglichkeitshorizonte in feministischen Theorien und Science Fictions. Bielefeld: transcript, 47-105.

Hamraie, Aimi, & Fritsch, Kelly (2019). „Crip technoscience manifesto.“ Catalyst: Feminism,Theory, Technoscience, 5(1), 1-34.

Harasser, Karin (2017): „Superhumans-Parahumans: Disability and Hightech in Competitive Sports.“ In: Anne Waldschmidt, Hanjo Berressem, Moritz Ingwersen (Hrsg*innen): Culture – Theory – Disability. Encounters between Disability Studies and Cultural Studies. Bielefeld: Transcript, 171-184.

Haraway, Donna (1995 [1985]): »Ein Manifest für Cyborgs. Feminismus im Streit mit den Technowissenschaften«, dt. von Fred Wolf. In: dies.: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt/M.: Campus, 33–72.
― (2004 [1985]): »A Manifesto for Cyborgs: Science, Technology, and Socialist Feminism in the 1980s. In: The Haraway Reader. London, New York: Routledge, 7–45.

Kafer, Alison (2013): »The Cyborg and the Crip: Critical Encounters«. In dies: Feminist, Queer, Crip. Bloomington: Indiana University Press, 103–128.

Murstein, Mika (2018): I'm a queerfeminist cyborg, that's okay. Gedankensammlung zu Anti-Ableismus. Münster: edition assemblage

Shew, Ashley (2023): Against Technoableism. Rethinking Who Needs Improvement. New York: W. W. Norton & Company

Semester:

Stufe:

MA

ETCS:

3

Fächer:

Gender Studies

Hochschultyp:

Universitäre Hochschulen (UH)