#metoo Teil 1: Fatale Botschaften – Schriftstellerin Thea Dorn zur Sexismus-Debatte

Debatten

Claudia Klank April 2018

Die Sexismus-Debatte #metoo ruft eine Reihe an Gegenstimmen hervor, die sie für übertrieben, undifferenziert und sogar gefährlich halten. Kritik ist wichtig, muss geäußert und gehört werden dürfen. Kritische Stimmen, die Sexismus jedoch beschönigen tragen kontinuierlich dazu bei, dass sexueller Belästigung weiterhin Legitimation verschafft wird. Die Schriftstellerin Thea Dorn ist dabei nur ein Beispiel der Gegenstimmen, deren öffentliches Gewicht diese Legitimation besonders stärkt.

Thea Dorn warnt vor hysterischen und bigotten Reaktionen hinsichtlich der Sexismus-Debatte #metoo. Es sei totalitär und es ginge spießiger zu als in der Nachkriegszeit Deutschlands. Damit ist sie eine von vielen Stimmen, die die Sexismus-Debatte nicht nur für übertrieben, sondern auch für warnungswürdig hält. Dorn – erst Ende November zu Walsers und Augsteins Buchpremiere von Das Leben wortwörtlich im Literaturhaus Stuttgart – ist mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin, eine öffentliche Person. Ihre Worte haben Gewicht, öffentliches Gewicht. Umso fragwürdiger sollten ihre Aussagen zur Kenntnis genommen werden, die aus ihrer privilegierten Position heraus besonders unüberlegt erscheinen. 

Im Interview mit Deutschlandradio Kultur Anfang November spricht sie für sich selbst, dass jeder, der sie „Mäuschen“ oder „Pussy“ nennt kein Problem sei, denn das müsse sie aushalten. Diese Botschaft, wenngleich sie mit Recht frei geäußert werden darf, zeigt, wie massiv gesellschaftliche Missstände verinnerlicht sein können. Jene Missstände nämlich, in denen mangelnder Respekt gegenüber Frauen als normal oder nicht so schlimm empfunden wird und von Geschlechtsgenossinnen empfunden werden soll.

Diese Botschaft ist nicht neu. Noch immer werden Mädchen dazu erzogen, über gewisse Dinge bei Jungen bzw. Männern hinwegzusehen, sich nicht über unaufgeforderte Berührungen oder anzügliche Bemerkungen aufzuregen, souverän drüberzustehen und – besonders wenn Mädchen als hübsch gelten – es als Kompliment aufzufassen. Anstatt es „aushalten zu müssen“ wie Thea Dorn nicht nur für sich persönlich entschieden hat, sondern unterschwellig an Frauen in unserer Gesellschaft transportiert, sollte jeder Verantwortung für einen respektvollen Umgang miteinander übernehmen. Es gibt keinerlei Anlass, warum ein Mann eine Frau als „Pussy“ oder „Mäuschen“ bezeichnen dürfen sollte, außer mangelndes Bewusstsein und mangelnde Kenntnis darüber, dass eine Frau nicht „irgendwas“ ist, das beliebig bezeichnet werden darf, sondern eine gleichberechtigte Person, die einen Vor- und Nachnamen hat. 

Gleiches gilt für Dorns weiteres Gedankenspiel, dass sexuelle Belästigung im jeweiligen Kontext betrachtet werden müsse: Würde sie jemand im öffentlichen Park „anfallen und wo hin greifen“, sagt sie, würde sie um Hilfe schreien. Würde sie aber mit einem Mann „morgens halb drei an der Hotelbar“ sitzen und „bereits 2 Flaschen Wein“ mit ihm getrunken haben, sei dies ihrer Ansicht nach keine sexuelle Belästigung, würde er dann übergriffig werden. Und wieder eine unterschwellige Botschaft an Frauen in der Gesellschaft: Mit zu viel Alkohol, in einem Hotel, zu später Stunde kann das schon mal passieren. Diese und ähnliche fatale Aussagen halten sich hartnäckig und dürfen so nicht hingenommen werden. Sexuelle Belästigung IST sexuelle Belästigung und darf nicht an Kontexten, nicht an Orten, nicht an Tageszeiten, nicht an Kleidung, Verhalten, an Launen oder Alkoholpegeln von Menschen gemessen, abgewogen oder nach Belieben ausgelegt werden.  Das  ist weder spießig noch totalitär, weder hysterisch noch bigott. Es bleibt unbedingter Teil einer freiheitlichen, demokratischen und aufgeklärten Gesellschaft, diese und andere Missstände aufzuzeigen und aufzeigen zu dürfen. Das Ziel ist ein respektvoller Umgang in einer Gesellschaft, in der alle Menschen verstehen lernen, dass unaufgeforderte Berührungen, abwertende Bemerkungen oder respektlose Bezeichnungen nicht Dinge sind, die einfach ausgehalten werden müssen.

Publikationsdatum:

11. April 2018

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Claudia Klank